Zakir and His Friends von Lutz Leonhardt.
Von Pierre Lachat. Erschienen im CINEMA 01.12.1998
Der Rhythmus steckt in allem und in allen drin, lange schon, bevor er in die Instrumente gelangt, ehe er sich zum Getrommel steigert: zu Melodie, Harmonie, Sinfonie, Ballett, Lichtspiel. Von unsern Haarwurzeln bis in unsere Extremitäten hat er sich überall und nirgendwo im vegetativen Nervensystem unserer gesamten Gattung eingenistet, um nicht zu sagen in den Fasern unseres Fleischs. Er hilft pickeln, dreschen, gärtnern, maschinenschreiben, Auto fahren, tausend andere Dinge verrichten, nützliche wie selbstzweckhafte, simple und komplizierte. Und erst dann gerinnt er (vielleicht) zu Musik. Er gibt das Mass für diesen Text, für diese Grafik. Er ist, selbstverständlich, eine Sprache; er ist in einem gewissen Sinn die Sprache, die Grundlage aller Idiome. Von der Figur des indischen Tabla-Spielers Zakir Hussain ausgehend, zieht das abendfüllende poetische Essay von Lutz Leonhardt immer weitere Kreise, ohne Beweise anzutreten, es sei denn, dass überall in der Welt alles verstanden, aufgegriffen, beantwortet, übernommen und weiterverbreitet wird, was sich durchtrommeln lässt.
Von Pierre Lachat. Erschienen im CINEMA 01.12.1998
Der Rhythmus steckt in allem und in allen drin, lange schon, bevor er in die Instrumente gelangt, ehe er sich zum Getrommel steigert: zu Melodie, Harmonie, Sinfonie, Ballett, Lichtspiel. Von unsern Haarwurzeln bis in unsere Extremitäten hat er sich überall und nirgendwo im vegetativen Nervensystem unserer gesamten Gattung eingenistet, um nicht zu sagen in den Fasern unseres Fleischs. Er hilft pickeln, dreschen, gärtnern, maschinenschreiben, Auto fahren, tausend andere Dinge verrichten, nützliche wie selbstzweckhafte, simple und komplizierte. Und erst dann gerinnt er (vielleicht) zu Musik. Er gibt das Mass für diesen Text, für diese Grafik. Er ist, selbstverständlich, eine Sprache; er ist in einem gewissen Sinn die Sprache, die Grundlage aller Idiome. Von der Figur des indischen Tabla-Spielers Zakir Hussain ausgehend, zieht das abendfüllende poetische Essay von Lutz Leonhardt immer weitere Kreise, ohne Beweise anzutreten, es sei denn, dass überall in der Welt alles verstanden, aufgegriffen, beantwortet, übernommen und weiterverbreitet wird, was sich durchtrommeln lässt.
Und man kann fast alles in Perkussion übersetzen. Indien, Japan, Kalifornien, Burkina Faso, Bali, die Karibik, Venezuela - die Instrumente sind anders, die Sensibilität, die Körpersprache, die Klangfarbe ist verschieden, selbst das Zeitempfinden variiert. Doch universell selbsterklärend ist an jedem Ort der Rhythmus, die in kleinste Stücke zerhackte Zeit. Das Gleichmass entzieht sich der zerebralen Steuerung und ergiesst sich über die Nervenstränge. So wirkt es auf die ganze sozusagen animalisch-elektrische Komponente unserer Konstitution, wie sie sich schon in der kommunsten Amsel manifestiert, wenn sie von der Tanne herab singt. Der Film spielt, trommelt, musiziert auf dem Instrument namens Menschentier. Mit der Zeit spürt man es: Der Schlagzeuger generiert seine Schläge nicht selbst, sie erzeugen sich in ihm drin und aus ihm heraus von allein. Rhythmus bedeutet vor allem auch: Fliessen, Osmose. Der gelernte Perkussionist Leonhardt hatte schon 1993 mit seinem leider unterschätzten kulturgeschichtlichen Spaziergang nach Syrakus gezeigt, dass er sich im dokumentarisch-essayistischen Genre nicht mit der landläufigen Routine zufriedengibt. Auch Zakir and His Friends ist nicht einfach ein weiterer Musikfilm oder ein Künstlerporträt nach Vorgabe, sondern qualifiziert sich als durchaus eigenständiges Stück siebte Kunst.